Meldung

20 Jahre „Tag der Deutschen Einheit“: Festakt im Theater mit Bildergalerie

Montag, 04. Oktober 2010, 09:53 Uhr
Nordhausen (psv) Zum Festakt anlässlich des 20. Jahrestags der Deutschen Einheit hat Oberbürgermeisterin Barbara Rinke im Theater Nordhausen fünf Persönlichkeiten ausgezeichnet, die sich besonders um die deutsche Einheit verdient gemacht haben.

Im nachfolgenden ihre Rede und die ausgezeichneten Personen sowie eine kleine Bildergalerie.

"Liebe Nordhäuserinnen und Nordhäuser,
liebe Gäste,
meine sehr geehrte Damen und Herren,

ich heiße Sie alle herzlich willkommen an diesem 3. Oktober des Jahres 2010 in unserem Nordhäuser Theater. Ein besonderes Willkommen unseren Freunden aus Bochum und natürlich den Würdenträgern aus Politik und Gesellschaft und es ist mir eine große Freude Christoph Dieckmann zu begrüßen, den vielmals preisgekrönten Zeit-Autor, der seit vielen Jahren den Einigungsprozess auf der Spur ist und zwischen Dingelstedt und Sangerhausen seine Kindheit verlebte.

Können Sie sich noch erinnern, wie es heute vor 20 Jahren in Nordhausen war? Ich meine nicht das Grau der Häuser, den Geruch der Zweitakter oder den Dunst der beginnenden Heizperiode. Nein! Ich frage: Was Sie dachten, was Sie fühlten, welche Hoffnungen Sie hatten? Waren Sie bei dem großen Volksfest auf dem Rathausplatz unter den vielen feiernden, singenden, tanzenden Menschen oder waren Sie bei der mehr besinnlichen Festveranstaltung hier im Theater? Vielleicht gehörten Sie aber auch zu denen, die zu Hause geblieben sind, weil Ihnen das alles zu schnell ging mit der Wiedervereinigung, weil Ihre Gefühle mit dem Tempo nicht Schritt halten konnten. Oder weil Ihre Skepsis schwerer wog als Ihre Hoffnung.

Ich war an diesem Abend im Theater. Zum Abschluss der Festveranstaltung erklang das Deutschlandlied – wie selbstverständlich. Neben mir hatten die Menschen Tränen in den Augen, andere sangen wie mechanisch mit. Mir wollte der Text noch nicht so richtig über die Lippen gehen. Da saß ein Kloß im Hals und im Herzen der inständige Wunsch, endlich einmal unsere bis dahin verbotene Nationalhymne zu singen – und diesmal aus vollster Überzeugung. Denn das war doch unser aller Wunsch und Ziel vor 20 Jahren: „Der Zukunft zugewandt, alles dafür zu tun, dass die Sonne schön wie nie über Deutschland scheint.“ Und wir wollten doch das tolerante Selbstverständnis einer Nation, das sich in den schlichten Zeilen widerspiegelt: „Und nicht über und nicht unter andern Völkern wollen wir sein“. Wir wollten weder Herren noch Knechte, sondern endlich Freie sein, die ihr Land lieben so wie andere Völker ihr’s.

Nicht wenigen von uns bleibt es schwer begreiflich, warum nichts bleiben konnte, was uns Ostdeutsche doch auch ausmachte neben allen Verkehrten und Verqueren. Mit dem Satz „Was sich bewährt hat, hat sich bewährt“ wurde fast ausschließlich auf alt Bekanntes, westwärts Etabliertes zurückgegriffen. So wurden Chancen verpasst. Das wissen wir heute. Dass der Verfassungsentwurf des „Runden Tisches“ dem Tempodruck zur Wiedervereinigung geopfert werden musste, ist nur ein Beispiel.
Als die Menschen riefen: „Kommt die D-Mark bleiben wir, kommt sie nicht gehen wir zu ihr“, musste gehandelt werden. Allerdings will ich mit einem Augenzwinkern nicht verschweigen, dass wenigsten zwei Männer aus dem Osten Kultstatus im vereinten Deutschland erlangt haben: Das Sandmännchen und das grüne Ampelmännchen.

Ja, im Jahr 1990 standen die Ampeln überall auf Grün. Es ereignete sich Weltpolitik und wir waren dabei. Innerhalb eines halben Jahres: Die ersten freien Wahlen, die Währungsunion, der 2-plus-4-Vertrag über den Abzug der sowjetischen Truppen und am 23. August der Beschluss der Volkskammer zum Beitritt der DDR zur Bundesrepublik, am 24. September trat die DDR aus dem Warschauer Pakt aus, der 3. Oktober wurde Nationalfeiertag. Nun waren wir wieder zusammen Ost und West, der Eiserne Vorhang auf dem Schrottplatz der Geschichte. Nun waren wir Bundesbürger - Bundesbürger mit sehr unterschiedlichen Biografien und Sichtweisen.

Ein Bekannter aus Süddeutschland sagte mir damals freudestrahlend: „Wie schön, nun seid Ihr auch Deutsche.“

Wir wechselten vom Sozialismus, der nie einer war, in den Kapitalismus, der jetzt erst recht einer werden konnte. So bringt es ein Zitat vom Kabarettisten Bernd-Lutz Lange auf den Punkt.

Endlich haben wir uns die Demokratie erkämpft als eine jedermann angebotene Möglichkeit für widerstreitenden politische Richtungen und ökonomische Interessen so zu wirken, dass das Gemeinwohl im Mittelpunkt steht. Wie schwer das werden würde und auf welchen langen Weg wir uns machten, ahnten wir damals nicht. Aber die Freude und der Dank über die neue Freiheit verlieh Kraft und Zuversicht. Bürgerinnen und Bürger aus allen Berufen haben sich ins politische Geschäft drängen lassen, haben mit angepackt auf allen Ebenen, in Staat und Bürgerschaft, oft ohne jegliche Erfahrung. Jeder, der damals mit zupackte, ist unseres Respekts würdig, wenn er sich beherzt für’s Gemeinwohl einsetzte, statt mit hämischer Besserwisserei und klugen Kommentaren sich aus der Gestaltung unseres Gemeinwesens herauszuhalten. Das Wort von Jefferson „Frage nicht nur, was Dein Land für Dich tut, sondern frage auch, was Du für Dein Land tun kannst“ hat viele damals beflügelt, mit anzupacken. Jene, die wir heute auszeichnen, stehen in besonderer Weise dafür. Das Engagement in der Kommunalpolitik, das frühzeitige soziale Engagement für Kinder und Senioren, das Eintreten für die Aufarbeitung des dunklen Teils der DDR-Geschichte sowie das Brückenschlagen zwischen Ost und West haben sie zu ihrer Lebensaufgabe gemacht. Dafür werden wir sie nachher ehren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,
auch 20 Jahre danach ist vieles offen geblieben. Gleiche Lebensverhältnisse sind noch immer nur Ziel und nicht Realität. Das muss sich dringend ändern. Zu welchen großen Leistungen die Menschen im Osten in der Lage sind, kann jeder sehen, der heute durch unsere Städte geht. Für alle Solidarität aus dem Westen sind wir dankbar, doch wir dürfen nicht auf halbem Wege stehen bleiben. Auch deshalb sind solche Tage des Innehaltens und Vergewisserns wie heute so wichtig.

Nun wünsche ich uns allen einen besinnlichen fröhlichen Abend."


Auszeichnung zur Festveranstaltung am Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober 2010

Joachim Heise
Freiheit e.V. Förderverein Gedenkstätte Andreasstraße


Herr Heise ist Vereinsvorsitzender des Vereins Freiheit e.V., der am 17.03.2007 in Erfurt gegründet wurde.

Im August 1980 stellte Herr Heise einen Ausreiseantrag aus familiären Gründen und Konflikten mit dem Staat, wandte sich an die Ständige Vertretung der Bundesrepublik in Ost-Berlin, hinterließ dort Informationen zu seinem Fall und trat schließlich in den Hungerstreik. Er wurde wegen landesverräterischer Nachrichtenübermittlung, landesfeindlicher Agententätigkeit und Widerstands gegen die Staatsgewalt zu 3 Jahren Haft verurteilt. Im Juni 1984 konnte er von der Bundesrepublik freigekauft werden und zog nach Hanau.

Heute lebt er längst wieder in Nordhausen und führt beispielsweise Besucher durch das frühere Stasi-Gefängnis in Erfurt. Als Zeitzeuge spricht er mit vielen Jugendlichen und Schülern.
Joachim Heise lebte im Osten sowie im Westen Deutschlands. Er kehrte nach der friedlichen Revolution wieder nach Nordhausen zurück und setzt sich aktiv für die museale Nutzung des ehemaligen Erfurter Stasi-Gefängnisses ein.

Helmut Pfeiffer

Herr Pfeiffer – Autor des Buches „Lebenslänglich – Freiheit verloren. Recht verloren“, welches im September 2005 erschien, beschreibt darin seinen schweren Weg als Jurist und als politischer Gefangener der DDR.

Von Juni 1953 bis Dezember 1964 verbrachte er elfeinhalb Jahre in Zuchthäusern der DDR. Kontakte in Westberlin waren ihm als „Spionage“ zur Last gelegt worden. In einem Schauprozess wurde er zu lebenslänglicher Haft verurteilt, ein Mitangeklagter verlor infolge des Urteils sein Leben.

Am 17. Dezember 1964 wurde Herr Pfeiffer aufgrund eines Amnestie-Erlasses des Staatsrates der DDR entlassen.

Bewundernswert ist sein Mut zum beruflichen Neuanfang nach der Wende sowie seine Kraft zum Aufschreiben seiner Lebenserinnerungen an diese Zeit für die nachfolgenden Generationen.


Paul Schrader
Vorsitzender Städtepartnerschaftsverein Bochum-Nordhausen


Herr Schrader ist seit der Gründung des Städtepartnerschaftsvereins 1990 als Vorstandsmitglied und seit 1995 als Vorsitzender tätig.

Er kümmert sich aktiv um den jährlichen Austausch von Bürgern beider Partnerstädte beispielsweise zwischen Schulklassen, Chören und Sportgruppen.

Des Weiteren unterstützt der Bochumer Verein viele andere Nordhäuser Vereine, unter anderem den Hospiz Verein, die Förderschule, die KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora, die Nordhäuser Tafel sowie den Kindertreff Katz-Maus mit Sachspenden und Geldleistungen.

Die Stadt Bochum unterstützte ebenso die Rekonstruktion des Bochum-Hauses in Nordhausen mit einer Geldspende in Höhe von 450.000 Euro.

Hans-Joachim Tischer
Vorsitzender Städtepartnerschaftsverein Nordhausen - Bochum


Herr Tischer ist Gründungsmitglied des Städtepartnerschaftsvereins und hat wichtige Impulse zur Gestaltung und Vertiefung der Städtepartnerschaft gegeben.

Seit seiner Wahl zum 1. Vorsitzenden vor ca. 6 Jahren hat Herr Tischer sich intensiv um neue Kontakte zwischen Nordhäusern und Bochumern bemüht.

Somit konnte er durch die gegenseitigen Besuche zum Kennen- und Verstehenlernen der in Jahrzehnten unterschiedlich gewachsenen gesellschaftlichen und politischen Auffassungen beitragen.

Darüber hinaus sind Freundschaften über die früheren Grenzen hinweg entstanden. Diese werden intensiv gepflegt und weiter ausgebaut.


Ursula Boettcher

Frau Boettcher ist es zu verdanken, dass das Senioren-begegnungszentrum in Nordhausen Nord zu einer beliebten und gut besuchten Einrichtung geworden ist. Im Jahr 2011 feiert das Seniorenbegegnungszentrum das 20-jährige Jubiläum. Durch die Arbeit von Frau Boettcher wurde der Grundstein für eine neue, anspruchsvolle und vielfältige Seniorenarbeit in Nordhausen gelegt. In den vergangenen Jahren und bis heute ist Frau Boettcher ehrenamtlich im Seniorenbegegnungszentrum Nord tätig. Es folgten Außenstellen in Krimderode, Nordhausen-Ost und in der Bochumer Straße, wo sie die Leitung übernahm.

Frau Boettcher ist immer auf der Suche nach neuen Projekten. So entstand in Nordhausen-Ost der Kinder-Keller Katz-Maus, in dem sie Kindern ein zweites Zuhause, einen Ort zum Spielen, Lachen und Wohlfühlen gab, gerade da, wo ein echtes Zuhause manchmal fehlte.

Aufzuzählen wäre noch so Vieles. Ihr „Heiligabend für Einsame“, bei dem sie jedes Jahr einsamen Menschen, ein Stück Weihnachten bringt. Sie gründete die Theatergruppe „Alteregal“, in der sie sozialkritische Fragen stellt, die sich manch einer nicht zu fragen traut.

Ursula Boettcher pflegte die Würde und die Talente des Alters, war da, wenn jemand ein offenes Ohr brauchte und ist bis heute zur Stelle, wann immer ihre Hilfe gebraucht wird.

Sie war und ist als ehemalige Pastorin eine wahrhaftige Seelsorgerin – jemand, der sich um die Seele der anderen sorgt.

Ehrenamtlich tätig zu sein, anderen zu helfen und für sie da zu sein, ist für sie Ehrensache.






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