Meldung

Die Nordhäuser Rolandgruppe gibt sich die Ehre: „Ganz in echt vorjestellt!“

Donnerstag, 07. Juni 2018, 10:40 Uhr
Im Bild von links nach rechts: Ohler Ewersberg, Hexe, Roland und Prof. Zwanziger  (Foto: Ilona Bergmann, Pressestelle Stadt Nordhausen) Im Bild von links nach rechts: Ohler Ewersberg, Hexe, Roland und Prof. Zwanziger (Foto: Ilona Bergmann, Pressestelle Stadt Nordhausen)
Nordhausen (psv) Jedes Mitglied für sich ein Unikat, gemeinsam unschlagbar: Die Nordhäuser Rolandgruppe. Sie sind zu viert. Und ungeschminkt für ein Interview. Eine geballte Ladung Witz, Ironie und Freude am Spiel der jeweiligen Rolle überrollt den Raum geradezu, als sie eintreten. Roland, Brockenhexe, Professor Zwanziger und der Ohle Ewersberg geben sich die Ehre. Doch wer sind sie, die jedes Kind in Nordhausen kennt, im wahren Leben? Das wollten wir gern erfahren…

Kaum beieinander, verschmelzen jedoch Rolle und Person. Sofort wird ins Nordhäuser Platt verfallen, geknatscht und gestichelt. Anett Wernicke, alias die Hexe, soll als Frau im Bunde zuerst antworten. „Jüngste! Was dem losen Mundwerk nüscht nimmt!“ schallt es sofort vom Roland herüber. Sich in dieser Männerrunde zu behaupten, fällt der Theatersängerin aber offenbar leicht. „Als Hexe hah ich de Fürsorjepflicht, die können doch nich ohne Mutti!“ So ist das also! „Von wajen! Der junge Besen kehrt alle Ecken us un krakeelt es rus!“ Dabei scheint sie so ruhig? „Alles Tarnung! Gib dissen Wetterblech zwei Minuten!“ Wenigstens diese Minuten horche ich, wie es zur Übernahme der Rolle kam. Die Ur-Nordhäuserin lacht. „Ein bisschen Hexe sind wir Frauen doch alle – und mich hat die Figur schon als Kind begeistert. Als Salatrachen kann ich mir alles von der Seele reden! Da kam die Ausschreibung genau richtig.“ Die Gruppe nahm ihre „Herrliche Schnauze“ gern auf – „Wieder glücklich komplett verrückt!“ jauchzt Professor Zwanziger, auch Winfried Schmitt genannt. Wobei sein Alias schon fast sein richtiger Name geworden ist. Ob auf der Straße oder im Dienst bei Eaton, der Ingenieur für Automatisierungstechnik im Ruhestand war, ist und bleibt Herr Professor. Seit 36 Jahren prägt er die kauzige Figur, deren Wahrheiten sehr weit dehnbar sind. „Weisheit bis Binse, das muss sieh!“ meint er sofort. Auch bei ihm bestach die Skurrilität der Figur seit Kindertagen. „Darum macht der das auch nur. Er ist der Verrückteste von uns!“ Auf der Bühne nimmt er sich zurück, im wahren Leben ist er viel schlimmer!“ „72% der Jahre, seit es die Rolandgruppe gibt, ist der dabei.“ Eine Antwort vom eigentlichen Gesprächspartner ist völlig aussichtslos, es wird von jedem aus der Gruppe mitgesprochen. Interview unmöglich, mitschreiben auf Platt auch. „Schriewen mutt de nich, lachen sollste!“ Tue ich. Doch den Roland ohne Antworten ziehen lassen? Nein!

Michael Garke hat sich sicherheitshalber von Freunden beraten lassen, ehe er sich für die Rolle bewarb. „Forstfacharbeiter, Tischler, Fensterbauer, Mediengestalter und Fotograf – da war der Sprung für mich doch absolut naheliegend?!“ Nun also noch Respektsperson und Schutzpatron, alle Achtung! „Bin ich. Vor allem, wenn an sauwarmen Tagen der Wasserstand im Stiefel steigt!“ schmunzelt er lausbübisch. Gut, dass es ihn gibt. Schließlich bringt er auch Ordnung auf die Bühne, wenn sein Kunvifchen mal wieder über die Stränge schlagen will. „Jawohl. Da muss ich schonne mal bremsen!“ Und da platzt es aus der Hexe heraus: „Fange du ahn damit – halte ganz din Schnusen!“ schon wird wieder gekabbelt, kaum eine Chance auf einen Sprung zum ruhenden Pol der vier, dem Ohlen Ewersberg. Ziemlich stilles Wasser, der Jörg Menge! „Bratsch und hin, so muss es sieh – uff`n Punkt, sonst nüscht!“ So ist das also…der Hühne ist eine beeindruckende Figur, nicht nur als Malermeister in 3. Generation. Wenn er ausholt, sitzen die Treffer. Und jetzt zielt er. Auf mich. Plateauschuhe damit er schön groß wirkt, Funktionsunterwäsche unterm Jägersrock, gemeinsames Schlafen im Ehebett mit Professor Zwanziger, seit 10 Jahren die gleiche Hose – möge der Leser selbst herausfinden, was da der Wahrheit entspricht!

Nun aber mal wieder im Ernst. Wie kam er zur Gruppe? Auch per Ausschreibung! Tatsächlich, das trifft auf alle Mitglieder der Gruppe zu. Und jedem stand sein Vorgänger zur Seite, um sich wirklich hineinzufinden in die Rollen. „Hexengeheimnis!“ ist die dreiviertel Stunde schminken, „Ehrlich sein ohne Gewissensbisse!“ hieß es beim Ohlen Ewersberg, „Immer grade!“ durfte der Roland hören – und Herr Professor? „Das Sein und Werden!“ Ach, poetisch geht es auch.
Apropos, reden! Fürs Platt gibt es keine Übungsstunden, das kann man – oder nicht! Und aus wessen Feder stammen die Texte und Ideen? „Gemeinschaftswerk! Wir sammeln, jeder schreibt, dann wird gemeinsam gefeilt. Wenn nichts mehr ist wie am Anfang, sind wir fertig!“ Keine Frage, bei dieser Truppe hat jeder was zu sagen - hier sprüht der Wortwitz in jedem Augenblick ganz ohne Manuskript und Planung, die Anekdoten werden mir nur so um die Ohren gehauen. Wieso da noch über drei Monate jede Woche und zum Schluss hin täglich geprobt wird, ist mir ein Rätsel. „Damit der Roland nich sprachlos äs!“ „Wajen dr Zensur!“ „Damit er sich zurickenimmt, im wahren Leben isser noch veele schlimmer!“ Und nur bei einem sind sich alle einig:
„Wir tun alle nur normal. Auf der Bühne sind wir echt!“

Wir verwenden Cookies um die Zugriffe auf unsere Website zu analysieren und geben hierzu Informationen zu Ihrer Nutzung unserer Website an Partner weiter. Mehr Informationen hierzu finden Sie im Impressum und der Datenschutzerklärung.