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Stadtbibliothek Nordhausen: Neuerscheinungen zu 150 Jahre deutscher Nationalstaat

Freitag, 26. Februar 2021, 18:49 Uhr
Vor 150 Jahren, im Januar 1871, wurde der moderne deutsche Nationalstaat gegründet. Am 26. Februar 1871 wurde während des Deutsch-Französischen Krieges der Vorfriede im Schloss Versailles zwischen Frankreich und dem Deutschen Reich geschlossen. Dieser Präliminarfriede wurde im Mai 1871 durch den Frieden von Frankfurt bestätigt und ergänzt. Viele Neuerscheinungen blicken 2021 auf dieses historische Ereignis, insbesondere auf die Zeit des Kaiserreichs, nebst seiner Nachwirkungen zurück. Die Stadtbibliothek Nordhausen stellt die Neuerscheinungen vor:

Christoph Nonn: 12 Tage und ein halbes Jahrhundert. Eine Geschichte des deutschen Kaiserreichs 1871-1918. C.Beck, München 2020. 686 Seiten.
Die Entwicklung des modernen deutschen Nationalstaats war geprägt von immenser wirtschaftlicher Dynamik, jedoch auch von politischem Stillstand, demokratischen Lernprozessen und autoritärer Verkrustung, bahnbrechenden Sozialreformen und heftigsten sozialen Konflikten. In zwölf Kapiteln, die jeweils von den Ereignissen eines bestimmten Tages ausgehen, beleuchtet Christoph Nonn diese faszinierend bunte Epoche und lässt die Menschen lebendig werden, die sie gestalteten und durchlebten. So etwa der Künstler Anton von Werner, der die Kaiserproklamation gleich mehrfach malte, Julie Bebel, die selbstbewusst in der Politik wie in der gemeinsamen Drechslerwerkstatt an die Stelle ihres Manns August trat, wenn der wieder einmal im Gefängnis saß, oder der Schuster Wilhelm Voigt, der als «Hauptmann von Köpenick» eine Stadt zum Narren hielt und damit eine Nation zum Lachen brachte.

Christoph Jahr: Blut und Eisen. Wie Preußen Deutschland erzwang. C.Beck, München 2020. 368 Seiten.
Was am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal von Versailles inszeniert wurde, war die wohl folgenreichste machtpolitische Revolution des 19. Jahrhunderts: die Gründung des deutschen Kaiserreiches. Während jahrhundertelang eine lose verbundene Ansammlung von Staaten der Mitte Europas ihr Gesicht gegeben hatte, war nun ein Nationalstaat entstanden, der durch seine Lage, Größe und wirtschaftliche Stärke den Kontinent nachhaltig veränderte. Wie konnte damals gelingen, woran zuvor Generationen gescheitert waren? Christoph Jahr erzählt die dramatischen Ereignisse neu, durch die Preußen Deutschland erzwang, und zeigt, wie die Reichsgründung bis heute fortwirkt. «Nicht durch Reden oder Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden..., sondern durch Eisen und Blut.» So begründete Otto von Bismarck am 30. September 1862 im preußischen Abgeordnetenhaus die Notwendigkeit erhöhter Militärausgaben. Zehn Jahre später hatten die Waffen gesprochen – im Krieg gegen Dänemark 1864, im innerdeutschen Krieg zwischen Österreich und Preußen 1866 und schließlich im deutsch-französischen Krieg von 1870/71. Christoph Jahr lässt die Geschichte der Reichsgründung lebendig werden und zeigt, wie groß die Widerstände waren – von Außen, aber auch im Inneren. Dabei verbindet er die Ereignisgeschichte mit den großen Trends der Zeit und die Perspektive von oben mit den Erfahrungen von unten. Ob überzeugungstreue Liberale, entschiedene Konservative oder preußenkritische Süddeutsche: die zynische Machtpolitik Bismarcks fand viele Kritiker. Nichts war alternativlos und alles hätte anders kommen können. Doch die Art und Weise, wie Preußen Deutschland erzwang, hatte Konsequenzen, die bis heute spürbar sind.

Eckart Conze: Schatten des Kaiserreichs. Die Reichsgründung von 1871 und ihr schwieriges Erbe. dtv, München 2020. 288 Seiten
Die „Kriegsgeburt“ des Kaiserreich ist nach Eckart Conze kein positiver Bezugspunkt des wiedervereinigten, postnationalen, demokratischen Deutschlands, sondern allenfalls ein Beispiel für die Gefahren einer Renationalisierung. Wie demokratisch war der neue Staat? Hat sich Deutschland damals auf einen „Sonderweg“ in die Moderne begeben? War in der Reichsgründung der Weg zum Ersten Weltkrieg bereits angelegt. Was verbindet 1871 und 1933, was Versailles und Auschwitz? Die Bundesrepublik stehe nicht in positiver Verbindung zur Reichsgründung: »Es gibt nichts zu feiern. Das Reich von 1871, es ist vergangen. Das Deutschland der Gegenwart steht nicht in seiner Tradition.«

Oliver Haardt: Bismarcks ewiger Bund. wbg Theiss, Darmstadt 2020. 944 Seiten
Wie verwickelt der Weg zur deutschen Einigung 1871 war, erzählt Oliver Haardt in seinem Werk anhand der Verfassungsgeschichte des Reiches und setzt damit einen ganz anderen Schwerpunkt als die deutschen Autoren. So sei das Deustche Reich kein von Preußen dominierter Autokratenstaat gewesen, sondern ein föderaler Verfassungsstaat. Stark nach außen, instabil nach innen: Innenpolitische Machtkämpfe hielten das Regierungssystem ständig im Fluss. Trotz aller internen Spannungen konnte sich das Kaiserreich jedoch zum ersten deutschen Nationalstaat entwickeln, aus dem die Weimarer Republik hervorging. Die politische Kultur des Kaiserreichs hinterlässt bis heute Spuren in der europäischen Politik. Zum Beispiel ähneln die Föderalstrukturen der Europäischen Union denen des Kaiserreiches in einigen wichtigen Punkten in bemerkenswerter Weise.

Schon länger im Bestand:
  • Tobias Arand: 1870/71 - die Geschichte des Deutsch-Französischen Krieges erzählt in Einzelschicksalen. Hamburg, Osburg Verlag, 2019.
  • Lothar Machtan: Kaisersturz. Vom scheitern im Herzen der Macht. Darmstadt, wbg Theiss, 2018.
  • Christopher Clark: Wilhelm II. Die Herrschaft des letzten deutschen Kaisers. München, Pantheon, 2018.
  • Klaus-Jürgen Bremm: 1866. Bismarcks Krieg gegen die Habsburger. Darmstadt, Theiss, 2016.
  • Christoph Nonn: Bismarck. Ein Preuße und sein Jahrhundert. München, Beck, 2015.
  • Deutschland um 1900. Ein Porträt in Farbe. Köln, Taschen, 2015.
  • Frank Lorenz Müller: Der 99-Tage-Kaiser. Friedrich III. von Preußen - Prinz, Monarch, Mythos. München, Siedler, 2013.
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