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Berliner Archäologen graben zum ersten Mal in Deutschland eine Siedlung der 'Przeworsk'-Kultur aus

Freitag, 20. August 2010, 11:50 Uhr
Auf einem Getreidefeld bei Leimbach sind derzeit Wissenschaftler und Studenten des Instituts für Prähistorische Archäologie der Freien Universität zu Berlin mit archäologischen Grabungen beschäftigt. Und die haben was Einmaliges entdeckt, zumindest für Deutschland...

ausgegraben (Foto: Patrick Grabe) ausgegraben (Foto: Patrick Grabe)

Grabungsleiter Björn Rauchfuß (links) und die Studierenden Dirksn Schruba (2.v.r.) und Vera Egbers. Die beiden zeigen Beispiele für Fundstücke aus Leimbach

„Wir graben hier das erste Mal eine `Przeworsk´- Siedlung in Deutschland aus“, sagte Björn Rauchfuß, Grabungsleiter und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut. Auf die Wichtigkeit der Grabungen und der Forschungen deutet die Förderung des Projektes durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft hin.

„Die Przeworsk-Kultur aus dem heutigen Polen war in der vorrömischen Eisenzeit neben den Kelten und der Jastorf-Kultur eine der großen Kulturen Europas. Wir gehen davon aus, dass die Gegend um das heutige Nordhausen im 3. bzw. 2. Jahrhundert vor Christus – während der jüngeren vorrömischen Eisenzeit - das Ziel dieser Einwanderer aus dem schlesischen Raum war“, sagte der Wissenschaftler.

Er und seine 20 Studenten sind seit dem 9. August hier auf dem Leimbacher Acker und haben bereits 1400 Quadratmeter der Oberfläche geöffnet. „Bis Anfang Oktober wollen wir aber insgesamt 2400 bis 2800 Quadratmeter geöffnet haben – also einen größeren Teil des gesamten Siedlungskomplexes bei Leimbach. Darüber hinaus gib es in der Gegend weitere Fundstellen, wie zum Beispiel bei `Himmelgarten´. Hier hat unser Projektleiter Professor Michael Meyer bereits vor 2 Jahren Grabungen vorgenommen“, sagte Rauchfuß. Auch bei Urbach werde eine Przeworsk-Siedlung vermutet.

Selbst unter der Ortschaft Leimbach könnte sich ein Siedlungsplatz der Kultur befinden. „Hier werden wir natürlich nicht graben, weil dieser durch die Bebauungen wahrscheinlich schon zerstört wurde.“

Bis jetzt hat die archäologische Studentengruppe 29 Fundstellen im Boden geortet. Indizien für potentielle Fundstellen seien Bodenverfärbungen. „Diese signalisieren menschliche Bodeneingriffe und sind Zeichen für Zivilisation.“ Innerhalb dieser Fundstellen sind die Archäologen auf zahlreiche Artefakte gestoßen. „Dazu gehören Tonscherben, Tierknochen und Eisenobjekte. Diese Fundmaterialien stimmten mit den Przeworsk-Funden im heutigen Polen überein und zeigen typische Merkmale der dortigen Keramik. So sind die Scherben schwarz geglättet, die Scherbenränder sind facettiert.

Man kann mit diesen Funden also belegen, dass Teile dieser wichtigen Kultur einst nach Leimbach auswanderten.“ Gründe für die Wanderung könnten die fruchtbaren Böden im Südharz gewesen sein, eine eventuelle Überbevölkerung oder ungünstige Klimaveränderungen in Schlesien. Man könne den weiteren Werdegang der Siedlung aber bisher nicht weiter nachvollziehen, weil sie sich vermutlich mit der ortsansässigen einheimischen Bevölkerung vermischt habe.

Auf die Spuren der Einwanderer gebracht hatte die Berliner Wissenschaftler der ehrenamtliche Nordhäuser Bodendenkmalpfleger Kurt Lützkendorf, sagte Jürgen Grönke, der Leiter des Nordhäuser Stadtarchivs. „Quasi jedes Feld, das in und um Nordhausen frisch gepflügt wird, nimmt Lützkendorf unter die Lupe auf der Suche nach Bodenverfärbungen, die auf Siedlungsstellen hinweisen. So ist er auch in den 80-er Jahren auf diese Fundstelle gestoßen und hat erste Befunden an das Landesamt für archäologische Denkmalpflege nach Weimar gemeldet. Ende der 80-er Jahre machte er bei Bauarbeiten weitere Funde und sicherte sie im Rahmen einer Notbergung. Professor Meyer ist auf die Funde aufmerksam geworden und hat daraus ein Forschungsprojekt für mehrere Jahre entwickelt.“

Nach dem Abschluss der Grabungen „wird eingepackt, und in Berlin geht dann der zweite Teil der Arbeiten los: Die Fundstücke reinigen, katalogisieren; die Pflanzenreste kommen unters Mikroskop, anhand der Tierknochen wird die Art bestimmt, dann wird verglichen, Literatur studiert und am Ende steht die Publikation unserer Ergebnisse und vielleicht eine Fachtagung, auf der wir mit Kollegen die Ergebnisse der Grabungen vergleichen“, so Rauchfuß.
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